| Veranstaltung: | LDK 1/2024 der Jusos Sachsen |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 7.U Umwelt, Klima, Wohnen |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | LDK |
| Beschlossen am: | 28.09.2024 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Wohnungspolitik statt Wohnungsmarktpolitik
Einleitung und ggf. Weiterleitung
Die Landesdelegiertenkonferenz der Jusos Sachsen möge beschließen und an die SPD Sachsen weiterleiten:
Beschlusstext
In der kapitalistischen Gesellschaft ist Wohnen zur Ware geworden. Anstatt als
grundlegendes Menschenrecht behandelt zu werden, unterliegt Wohnen den Zwängen
der Verwertungslogik. Das führt vor allem in Großstädten zu einer dramatischen
Verteuerung der Mieten. Diese Entwicklung ist auch in den sächsischen
Großstädten, insbesondere Leipzig und Dresden, deutlich zu spüren.
Leipzig, als Stadt mit der höchsten Mieter*innenquote in Europa, verzeichnete in
den letzten Jahren eine massive Preissteigerung bei den Angebotsmieten, also bei
Neuvermietungen. Dresden steht vor ähnlichen Herausforderungen. Diese Städte
sind geprägt vom Zuzug vieler Menschen, insbesondere Studierender, die häufig
lange nach bezahlbarem Wohnraum suchen müssen. Das bisherige Überangebot an
Wohnungen, das die Preise lange Zeit in Schach hielt, ist verschwunden, und die
Mieten steigen scheinbar unaufhaltsam weiter.
In Städten wie Berlin, München oder Stuttgart führten ähnliche Entwicklungen zu
sozialen Verwerfungen, die sich in Gentrifizierung und Verdrängung ausdrücken.
Auch das beobachten wir in Städten in Sachsen.
Zusätzlich sorgt ein angespannter Wohnungsmarkt für mehr Menschen, die in die
Wohnungslosigkeit oder gar Obdachlosigkeit fallen. Gerade Familien in prekären
Verhältnissen und Jugendliche, die ohnehin schon prekär leben und ggf. aus ihrem
Elternhaus ausziehen sind besonders davon betroffen. Um eine ähnliche
Entwicklung hier zu stoppen, müssen wir uns von der marktgesteuerten
Wohnungsmarktpolitik abwenden und eine Politik verfolgen, die das Menschenrecht
auf Wohnen in den Mittelpunkt stellt.
Ein Blick nach Wien zeigt, dass eine andere Politik möglich ist. Das Rote Wien
(Zeit von 1919 bis 1934 als die Sozialdemokratie mit absoluter Mehrheit
regierte) zeigt, dass das konsequente Investieren in kommunalen Wohnraum auch
100 Jahre später noch effektiv ist. Die Stadt Wien beweist durch ihre kommunale
Wohnungsverwaltung „Wiener Wohnen“, dass bezahlbarer Wohnraum für alle
gewährleistet werden kann. Infolge dieser Politik zählt Wien zu den
lebenswertesten Städten der Welt.
Außerdem wollen wir eine Wohnungspolitik die die Bedürfnisse der Menschen in den
Vordergrund rückt. Unser Ziel ist, dass jede*r die Möglichkeit habt, dort zu
wohnen, wo es am besten zum eigenen Leben passt. Und das entscheiden die
Menschen am besten selbst. Der Zugang zu Infrastruktur muss überall gesichert
sein.
Der Explosion der Mietpreise wollen wir eine radikale, linke Wohnungspolitik
entgegenstellen, bevor es zu spät ist. Wir blicken in viele andere Städte, wo
ähnliche Antworten auf ähnliche Probleme gefunden werden wollen. In Berlin
setzte sich 2021 der Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ zwar
durch, wurde aber von der SPD in Regierungsverantwortung vollständig ignoriert.
Wir sind deshalb umso entschlossener, die Preisentwicklung in unseren
Großstädten aufzuhalten.
Forderungen:
1. Einführung einer kommunalen Wohnungsverwaltung nach Wiener Vorbild in allen
sächsischen Städten ab 100.000 Einwohner*innen:
- Der Freistaat Sachsen soll Städte ab 100.000 Einwohner*innen verpflichten,
eine kommunale Dienststelle ähnlich der „Wiener Wohnen“ einzurichten.
Diese Institution soll dafür sorgen, dass alle Bürger*innen Zugang zu
kostengünstigem Wohnraum haben, unabhängig von ihrem Einkommen. Diese
Dienststellen dienen gleichzeitig auch als Anlaufstelle für Menschen,
denen ein Wohnungsverlust droht.
2. Rückführung von 50 % der Wohnungen in Städten ab 50.000 Einwohner*innen
bis 2035 in kommunale Hand:
- Um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern, soll bis 2035 mindestens
die Hälfte des Wohnungsbestandes in Städten ab 50.000 Einwohner*innen in
kommunales Eigentum überführt werden. Dies kann durch den Erwerb, die
Rückabwicklung von Privatisierungen oder Enteignungen von leerstehenden
oder spekulativ gehaltenen Immobilien erfolgen. Hierfür muss der Freistaat
die Kommunen entsprechend großzügig finanziell unterstützen.
3. Zerschlagung von rechtsradikalen Immobilienbesitzer*innen
- Ein besonderer Fokus soll dabei auf der Rekommunalisierung von Immobilien
liegen, die sich in rechtsradikalen Netzwerken befinden. Dadurch soll
gewährleistet werden, dass sich keine faschistischen Netzwerke in unseren
Kommunen niederlassen und zu starken Einfluss auf diese gelanden, wie es
bspw. in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern der Fall ist.
4. Förderung von Neubau und Sanierung unter Berücksichtigung sozialer und
ökologischer Standards:
- Der Freistaat Sachsen soll Förderprogramme auflegen, die den sozialen
Wohnungsbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden nach ökologischen
Standards unterstützen. Dabei ist sicherzustellen, dass sowohl die
Energieeffizienz als auch die Bezahlbarkeit der Wohnungen im Fokus stehen.
Die kommunalen Wohnungsverwaltungen sollen hierbei eine zentrale Rolle
einnehmen.
5. Milieuschutz gewährleisten:
- Der Freistaat Sachsen soll die Zusammensetzung der gebietsansässigen
Wohnbevölkerung schützen, indem höhere Hürden für Vermieter:innen gesetzt
werden, die aufgrund von Sanierung, Anbau von Balkonen oder
Grundrissänderungen des Wohngrundstückes den Mietpreis erhöhen wollen.
6. Stärkung der genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungswirtschaft:
- Sachsen muss die Gründung und den Ausbau von Wohnungsgenossenschaften und
ähnlichen gemeinwohlorientierten Institutionen aktiv unterstützen. Dafür
sollen u.a. steuerliche Erleichterungen und direkte finanzielle Hilfen
bereitgestellt werden. Ziel ist es, dass bis 2035 mindestens 30 % des
gesamten Wohnungsbestandes in Sachsen genossenschaftlich oder gemeinnützig
verwaltet werden. Zudem soll sich Sachsen auf Bundesebene für die
Wiedereinführung einer richtigen Wohnungsgemeinnützigkeit einsetzen.
7. Housing First durchsetzen
- Zu Wohnen als Grundrecht gehört auch die konsequente Bekämpfung von
Obdachlosigkeit. 2022 waren über 262.000 Menschen in Deutschland
wohnungslos. Dem muss entgegengetreten werden, indem wohnungslose Menschen
mittels der Dienststellen zur Vermittlung von Wohnungen eine Wohnung
vermittelt bekommen.
8. Einbindung des Ordungsamtes
- Um zu gewährleisten, dass obdachlose Menschen die nötige Hilfe bekommen,
soll das Ordnungsamt die nötige Hilfe leisten, dass obdachlose Menschen
ein Termin für eine Wohnungsvermittlung bekommen. Aus diesen Gründen muss
das Ordnungsamt darin geschult werden um einen respektvollen Umgang mit
obdachlosen, sowie suchtkranken Menschen an den Tag zu bringen.
9. Strategische Bodenpolitik zur Sicherung kommunalen Eigentums:
- Es ist eine strategische Bodenpolitik notwendig, die darauf abzielt,
städtische Grundstücke in kommunaler Hand zu halten oder dorthin
zurückzuführen. Bauprojekte sollen erst genehmigt werden, wenn die
betreffenden Grundstücke in kommunalem Besitz sind, um Spekulationen und
überhöhte Bodenpreise zu verhindern. Vorbilder wie die strategische
Bodenpolitik der Stadt Ulm sollen dabei als Leitfaden dienen.
Des Weiteren wollen wir mit Blick auf die Wohnungsnot vieler Menschen in
Großstädten dem Wohnungsnotstand entgegentreten. Während die SPD im Bund ihr
Wahlversprechen mit den 400.000 Neubauwohnungen nicht halten wird, wird die
Notlage immer größer. In Dresden werden bis 2028 über 4.500 Neubauwohnungen pro
Jahr benötigt. Dabei würde die Nutzung der knapp über 13.000 leerstehenden
Wohnungen helfen, aber das Problem nicht lösen. Ähnlich sieht das Problem in
Leipzig aus. Konsequenzen aus dem Mangel an Wohnraum sind unter anderem
steigende Mietpreise und drohende Wohnungslosigkeit. Aus diesem Grund müssen wir
neue Ansätze nutzen, um die Wohnungspolitik effizienter zu gestalten.
Forderungen:
1. Modulares Bauen in den Vordergrund rücken und fördern
- Modulares Bauen ist eine effiziente Möglichkeit, um Wohnungen zu
gestalten, indem Bauelemente von Wohnungen in Fabriken hergestellt und
zusammen mit den anderen Elementen vor Ort zusammenmontiert werden.
Dadurch können wir schnell der Wohnungsnot entgegentreten.
2. Aufstockung und Nachverdichtung von nicht bewohnten Wohnungen und Gebäuden.
sowie Sanierung von unbewohnten Wohnungen
- Durch Aufstockung und Nachverdichtung schafft man neuen Wohnraum, indem
man neuen Wohnraum erweitert. Da dies häufig mit der Sanierung von bspw.
Altbauwohnungen einhergeht, kann man das mit der Sanierung und
Reaktivierung von leerstehenden Wohnungen verbinden.
3. Lockerung des Denkmalschutzes
- Viele unbewohnte Gebäude können schlecht saniert werden, da es zu
Problemen mit dem Denkmalschutz kommt. Um aber zu gewährleisten, dass der
Wohnraum genutzt werden kann, muss der Denkmalschutz gelockert werden.
4. Förderung von Co-Housing Formen
- Co-Housing Modelle sorgen dafür, dass sich mehrere Familien
Wohnungsinfrastruktur wie bspw. Küchen und Gemeinschaftsräume teilen.
Diese Wohnungsform ist ressourceneffizient und bietet ggf. alleinstehenden
und/oder älteren Personen ein soziales Umfeld im eigenen Zuhause.
5. Durchsetzung eines bundesweiten Mietendeckels.
- Mit dem gekippten Mietendeckel in Berlin ist klar. Ein Mietendeckel ist
möglich, aber nur auf Bundesebene umsetzbar. Wir fordern die Durchsetzung
eines Mietendeckels für ganz Deutschland, damit Wohnen für jede*n keine
Frage des Geldes ist. Es dürfen keine Gewinne mit den Notlagen von
Menschen gemacht werden. Darum fordern wir eine Wohnungspolitik statt
einer Wohnungsmarktpolitik
Darüber hinaus wollen wir als Jusos gewährleisten, dass die eigene Wohnung mehr
als ein Schlafplatz ist. Wir wollen eine gute Verkehrsverbindung gewährleisten,
welche jeder*m eine Anbindung an Supermarkt, Gesundheitsversorgung und Behöre
bietet, aber auch die Möglichkeit sich in ein soziales Gefüge zu integrieren.
Die Anbindung zu Freizeiteinrichtungen und Kultur ist ebenso zentral.
Forderungen:
1. ÖPNV-Netz in Städten ab 50.000 Einwohner bis 2035 stärken
- Ein engmaschiges ÖPNV-Netz nach dem Vorbild Zürichs, in allen sächsischen
Städten ab 50.000 Städten, mit einer 10-Minuten-Taktung einer Linie in
allen Stadtteilen, die in die Kernstadt führt.
2. Anbindung in jeder Gemeinde gewährleisten
- Umsetzung von flächendeckender Infraskruktur, sodass jede Gemeinde in
Sachsen eine Anbindung zu öffentlichen Verkehrsmitteln hat, die im 30-
Minuten-Takt eine Person bis zum nächsten Supermarkt, Krankenhaus und zur
nächsten Apotheke und Schule befördern können.
4. Anbindung zwischen kleineren und größeren Städten ausbauen
Direktverbindungen im 30-Minuten-Takt in jeder Stadt ab 10.000 Einwohner,
welche eine Stadt mit mindestens 50.000 Einwohner*innen bedienen.
5. Digitalisierung der Infrastruktur
Um die Machbarkeit zu gewährleisten, muss die nötige Technologie zur
Digitalisierung sowie des autonomen Fahrens von bspw. Bussen evaluiert und
wenn möglich implementiert werden.
Nur durch eine konsequente Abkehr von der Marktlogik hin zu einer sozial
gerechten Wohnungspolitik kann das Menschenrecht auf Wohnen in Sachsen gesichert
werden. Die Einführung kommunaler Wohnungsverwaltungen, die Rückführung von
Wohnraum in öffentliche Hand sowie die Förderung gemeinnütziger und
genossenschaftlicher Strukturen sind notwendige Schritte, um den aktuellen
Entwicklungen in Sachsens Städten entgegenzuwirken.
Zusätzlich wollen wir ermöglichen, dass alle ihren Supermarkt sowie alle
wichtigen Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen von ihrer Wohnung schnell und
sicher erreichen können. Denn der Wohnort darf niemanden exkludieren und keine
gesellschaftliche Benachteiligung zur Folge haben. Wir Jusos Sachsen fordern
daher eine Landespolitik, die das Wohnen nicht dem Markt überlässt, sondern
aktiv gestaltet und den Wohnraum als gemeinschaftliches Gut versteht.
