Ini2: Jetzt erst recht! - Lehren aus den Landtagswahlen für die demokratische Linke.

Die Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen sowie der Landtagswahlen in
Thüringen, Brandenburg und Sachsen waren in diesem Jahr verheerend. Bei uns in
Sachsen konnten wir als SPD zwar unser Ergebnis von 2019 halten, jedoch haben
die demokratischen Kräfte insgesamt stark verloren und die faschistische AfD
muss mit einem Ergebnis von 30,6% klar als Gewinner dieser Wahl bezeichnet
werden. Die kommenden Monate und Jahre werden nicht einfach und eine
Regierungsbildung in Sachsen kann wieder nicht mit progressiven Kräften
vollzogen werden. Mehrheiten abseits von reaktionären und populistischen Kräften
sind in weite Ferne gerückt.

All das zeigt uns deutlich: Die SPD, aber auch die demokratische Linke insgesamt
verliert zunehmend die Hoheit über Debatten und die nötige gesellschaftliche
Verankerung. Abseits der Großstädte, vor allem im ländlichen Raum, findet eine
Marginalisierung progressiver Kräfte statt, die mit einem seit 1945
beispiellosen Aufstieg rechter Kräfte einhergeht. Diese Entwicklung, die in
Deutschland und ganz Europa stattfindet, zeigt, dass der Kampf gegen den
Aufstieg des Faschismus weiterhin die größte Aufgabe unserer Zeit darstellt. Mit
dem Aufstieg des Faschismus geht ein Angriff auf die notwendigen
Klimaschutzmaßnahmen, den Sozialstaat und die demokratische Gesellschaft einher.
Aber nicht nur die Wahlergebnisse, sondern auch die Verschiebung des
öffentlichen Diskurses nach rechts, gepaart mit dem gezielten Angriff auf
Errungenschaften des Sozialstaats, Gewerkschaften und gesellschaftlicher
Solidarität, stellt eine akute Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben
dar.

Diese Verschiebung nach rechts ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer
bewussten Strategie rechter Akteur*innen, die gesellschaftlichen Probleme und
Krisen wie die steigende soziale Ungleichheit, die Wohnungsnot, prekäre
Arbeitsverhältnisse und die Klimakrise zu instrumentalisieren. Anstatt Lösungen
zu präsentieren, schüren sie Ängste und lenken die Debatte in eine Richtung, die
Ausgrenzung und Spaltung verstärkt. Besonders alarmierend ist dabei die
zunehmende Normalisierung rechter Positionen auch neben dem öffentlichen
Diskurs, sondern auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Was früher unvorstellbar
schien, wie die Schließung der Grenzen, die Abschaffung des individuellen Rechts
auf Asyl und die Infragestellung der Würde aller Menschen wird heute immer
häufiger salonfähig gemacht. Diese Entwicklungen sehen wir auch in unserer
eigenen Partei und verfolgen das mit großer Sorge.

Eine besondere Situation stellt sich hierbei im Osten ein. Nirgendwo sonst in
der Bundesrepublik ist die gesellschaftliche Verschiebung so deutlich zu spüren,
auf allen Ebenen. Hierbei sind insbesondere die Jusos als Teil der
Zivilgesellschaft wichtiger Anker und Verteidiger*innen der Demokratie. Die
Demokratiebewegung mit den einhergehenden Demonstrationen Anfang 2024 war
richtig und wichtig. Eine Lehre aus diesem Jahr ist aber auch, dass die
Verteidigung der Demokratie nicht bei Demonstrationen aufhört, sondern nur ein
politischer Kurswechsel nachhaltig helfen kann. Hierbei ist die Erkenntnis
zentral, dass die Erfahrung in den 90er Jahren, in denen eine in Europa
beispiellose Deindustrialisierung und Entmachtung der Menschen im Osten, für
viele Menschen prägend war.

In gesellschaftlichen Stresssituationen kommen diese „Frakturen“ hervor und
verstärken sich. Diese Erfahrungen werden intergenerationell weitergegeben und
sind dementsprechend auch (und teilweise sogar stärker) bei jungen Menschen zu
beobachten, die ein besonderes Gefühl der Zurückweisung spüren, wie Steffen Mau
in verschiedenen Publikationen eindrucksvoll nachgewiesen hat. Dies ist
insbesondere darin begründet, dass die Ungerechtigkeit zwischen Ost und West, in
Löhnen, Repräsentation und materieller wie gesellschaftlicher Teilhabe nach wie
vor massiv ist und sogar 34 Jahre nach dem Beitritt der Länder im Osten größer
wird.

Die Rechten schaffen es aktuell, die Unterschiede zwischen Ost und West von
einer materiellen und repräsentativen Ebene auf eine kulturelle Ebene zu heben
und auf die Migrationsfrage zu reduzieren. Auch hier gelingt den Rechten eine
massive Verschiebung des Diskurses, der am Ende die strukturellen
Herausforderungen des Ostens nicht löst, sondern die Probleme verschärft.

Um diese Verschiebung zu bewirken, braucht es aber gesellschaftliche
Rahmenbedingungen. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die gesellschaftliche
Resilienz gegen Krisen in ganz Deutschland immer mehr abnimmt. Damit einher geht
eine, besonders im Osten ausgeprägte, Transformationsmüdigkeit, die sich mit
einem Mangel an demokratischer Selbstermächtigung vermischt. Als Reaktion darauf
treten soziologisch erklärbare traditionell-nationalistische Verteidigungsmuster
auf. Auf diese Entwicklungen braucht die demokratische Linke antworten, diese
können nur materialistisch und demokratisch sein. Wir sind davon überzeugt, die
Antworten der Zeit müssen demokratisch-sozialistisch sein.

Unsere Antwort darauf kann nur lauten: Umverteilung -Jetzt erst recht!

Wir dürfen den Rechten nicht das Feld überlassen und uns nicht in defensive
Positionen drängen lassen. Die Debatten der Rechten zu führen, heißt ihnen eine
hegemoniale diskursbestimmende Stellung einzuräumen. Wer sich auf das
Debattenfeld der Rechten bewegt, befindet sich in einem unmenschlichen
Überbietungswettbewerb, der am Ende nur der extremen Rechten nutzt.

Stattdessen müssen wir die politische Debatte offensiv gestalten und den Fokus
auf die zentralen sozialen Fragen unserer Zeit legen: die gerechte Verteilung
von Reichtum, die Bekämpfung von Armut, die Sicherstellung guter
Arbeitsbedingungen und bezahlbaren Wohnraums, sowie den gerechten Zugang zu
Bildung und Gesundheitsversorgung. Die Ungleichheit in unserer Gesellschaft hat
ein Ausmaß erreicht, das nicht nur die sozialen Strukturen bedroht, sondern auch
die demokratische Stabilität. Um dies zu korrigieren, brauchen wir eine mutige
Umverteilungsagenda.

Unsere zentralen Punkte für eine Umverteilungsagenda:

1. Abschaffung der Schuldenbremse: Um die notwendigen Investitionen für die
Infrastruktur und den Strukturwandel zu beschaffen brauchen wir
finanzpolitischen Spielraum, der neue demokratische Handlungsspielräume
ermöglicht. Die Frage der Verschuldung muss aus dem Grundgesetz und den
Landesverfassungen und rein in die Parlamente!

2. Umverteilung von oben nach unten, von West nach Ost: Die Reichen werden immer
reicher, während ein wachsender Teil der Bevölkerung unter prekären Bedingungen
lebt. Wir fordern eine konsequente Vermögenssteuer und höhere Erbschaftssteuern,
um die extreme Konzentration von Reichtum in den Händen weniger zu brechen. Eine
grundlegende Reform des Steuersystems und insbesondere eine gerechte
Erbschaftsbesteuerung mit Umverteilungseffekten, wie über das Grunderbe, ist
dafür unerlässlich. Umverteilung unter diesem Aspekt bedeutet auch immer
Umverteilung von West nach Ost. Hierbei muss auch die Verteilung
gesellschaftlicher Macht in Medien, Justiz und Wirtschaft eine Rolle spielen,
die sich in der mangelnden Repräsentation ostdeutscher und marginalisierter
Gruppen zeigt.

3. Stärkung des sozialen Demokratie: In Zeiten von Inflation, Wohnungsnot und
unsicheren Arbeitsverhältnissen müssen wir den Sozialstaat ausbauen und nicht
abbauen. Es braucht massive Investitionen in sozialen Wohnungsbau, Bildung und
Gesundheitsversorgung, um allen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.

4. Sichere Arbeitsbedingungen und gute Löhne: Die Ausweitung von prekären
Beschäftigungsverhältnissen, Leiharbeit und Minijobs muss gestoppt werden. Wir
sind solidarisch mit den Gewerkschaften bei ihrem Kampf um eine Stärkung der
Tarifbindung. Um auch in den Bereichen, in denen es keine Tarifabdeckung gibt
Lohnerhöhungen zu ermöglichen, bekräftigen wir unsere Forderung den Mindestlohn
auf 15€ zu erhöhen.

Umverteilung ist die Antwort – die SPD muss die Kraft dafür sein !

Es ist Zeit, den rechten Kräften entschlossen entgegenzutreten und den Diskurs
wieder auf die drängenden sozialen Fragen zu lenken. Statt uns auf die
Verteidigung gegen rechte Angriffe zu beschränken, müssen wir die
gesellschaftliche Debatte prägen und den Raum für progressive Lösungen
erweitern. Umverteilung ist kein antiquiertes Konzept, sondern die Antwort auf
die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, auf soziale
Unsicherheiten und auf die Krise des Neoliberalismus.

Mit einer klaren und mutigen Umverteilungsagenda setzen wir ein Zeichen gegen
den Rechtsruck und für eine gerechte, solidarische Gesellschaft. Die Zukunft
gehört nicht denen, die spalten und Ängste schüren, sondern denen, die Lösungen
für alle bieten. Lasst uns gemeinsam die Debatte neu ausrichten – für
Umverteilung, für soziale Gerechtigkeit, für eine solidarische Zukunft.