P1: Psychische Gesundheit fördern statt pauschalisieren und kriminalisieren – Präventionsbonus für Therapiebesuche einführen

Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte in Reaktion auf die Anschläge
der letzten Monate: "Wir haben große Raster angelegt für Rechtsextremisten, für
Islamisten, aber offenkundig nicht für psychisch kranke (Gewalttäter)."

Diese Forderung setzt fast 18 Millionen Menschen (ca. 27,8 % der Bevölkerung)
unter

Generalverdacht, indem psychische Erkrankungen mit Gefährdung gleichgesetzt
werden. Eine solche Argumentation erinnert an die Zeit des Nationalsozialismus
und löst keine sicherheitspolitischen Probleme. Sie verstärkt stattdessen
Stigmatisierung und schreckt Betroffene davon ab, sich Hilfe zu holen.

Auffällig ist, dass die Attentäter der vergangenen Anschläge ausschließlich
Männer waren. Der Logik Linnemanns Vorschlag folgend, würde das bedeuten, alle
Männer unter Generalverdacht zu stellen – ein Gedanke, der absurd erscheint und
den natürlich

niemand ernsthaft fordert. Doch genau diese Argumentation legt die
Widersprüchlichkeit der Forderung Linnemanns offen. Anstatt psychische
Erkrankungen mit Gefährdung gleichzusetzen, muss die gesellschaftliche Frage
gestellt werden, warum sich insbesondere Männer zu selten professionelle
Unterstützung suchen.

In unserer Gesellschaft gelten Emotionen und psychische Gesundheit, insbesondere
bei Männern, oft immer noch als Tabuthema. Männlich sozialisierte Personen
erfahren starken gesellschaftlichen Druck, „stark“ sein zu müssen, und vermeiden
daher häufig den Gang zur Therapie. Dies verstärkt psychische Belastungen,
welche in seltenen Fällen zu extremen Verläufen führen können. Eine präventive
Strategie muss genau hier ansetzen: Psychische Erkrankungen müssen als Teil der
allgemeinen Gesundheitsversorgung betrachtet und systematische Barrieren
abgebaut werden.

Nur 18 % der Betroffenen nehmen psychotherapeutische Hilfe in Anspruch.
Gleichzeitig fehlen Therapieplätze, unter anderem weil zu wenige Kassensitze
existieren und dieAusbildung zur Psychotherapeut*in mit hohen Kosten und Hürden
verbunden ist. Diese Probleme lassen sich nicht durch Überwachung psychisch
kranker Personen lösen, sondern nur durch Prävention und eine bessere
Gesundheitsversorgung. Prävention und ein verbesserter Zugang zu Therapie können
zudem einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben. Denn psychische
Erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Fehltage. Zudem lassen sich
fast die Hälfte der Anträge auf Erwerbsminderungsrente im Jahr 2023 ebenfalls
auf psychische Erkrankungen zurückführen.

Forderungen

Deswegen Fordern wir: